23. Jun 2023
Wegen Nachlässigkeit kommt es in der Schweiz mindestens täglich zu einem Brand auf einer Baustelle. Nach einem Brand finden polizeiliche Ermittlungen zur Klärung der Brandursache statt. Der schadenverursachenden Person oder auch dem Bauunternehmen können zivil- und strafrechtliche Konsequenzen drohen.
Im Interview erläutert Rechtsanwalt Prof. Dr. Manuel Jaun, wie die polizeilichen Ermittlungen ablaufen, wann es zu einem Strafverfahren kommt und welche Konsequenzen die schadenverursachende Person bzw. das Bauunternehmen zu tragen haben.
Die fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst oder eine Brandstiftung sind Offizialdelikte. Sie müssen deshalb von Amtes wegen verfolgt werden. Sofern es sich nicht um einen Brand mit sehr geringem Sachschaden handelt, der auch keinen Feuerwehreinsatz erfordert, finden deshalb polizeiliche Ermittlungen statt. Ziel ist es, die Brandursache zu ermitteln. Dazu wird die Baustelle minutiös untersucht und es werden Personen befragt, die zur Brandentstehung Auskunft geben können. Je nach Komplexität sind diese Abklärungen sehr umfangreich.
Dies hängt vom Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen ab. Ein Strafverfahren wird eröffnet, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Bauhandwerkerin oder ein Bauhandwerker den Brand fahrlässig verursacht hat. Auch die Organe oder leitenden Angestellten eines Bauunternehmens kann eine strafrechtliche Verantwortlichkeit treffen, wenn sie die gebotenen organisatorischen Brandschutzmassnahmen unterlassen haben. Dies ist z. B. der Fall, wenn nicht genügend ausgebildete oder instruierte Mitarbeitende eingesetzt werden oder auf die nach den Umständen erforderlichen Kontrollen verzichtet wird.
Erhärtet sich im Laufe des Verfahrens der Anfangsverdacht, werden die Verantwortlichen strafrechtlich verurteilt. Die Höhe der Strafe hängt von der Schwere des Verschuldens ab, wobei auch das Ausmass des Schadens eine Rolle spielt. Eine Geldstrafe kann bis mehrere tausend Franken betragen.
Für die durch den Brand verursachten Schäden werden in erster Linie Versicherungen aufkommen. Bei Personenschäden ist dies in der Regel die obligatorische Unfallversicherung. Bei Sachschäden ist zwischen Schäden am Gebäude und Schäden an der Fahrhabe zu unterscheiden. Schäden am Gebäude übernehmen die Gebäudeversicherungen, für Schäden an der Fahrhabe sind Fahrhabeversicherungen zuständig. Daneben können auch Schäden entstehen, die nicht versichert sind, etwa wenn ein Neubau aufgrund des Brandes und der dadurch verursachten Bauverzögerung mit Verspätung bezogen bzw. vermietet werden kann.
Die Versicherungen, gegebenenfalls die Bauherrschaft sowie weitere Geschädigte können gegen die verantwortlichen Brandverursacher/innen Regress- und Schadenersatzforderungen stellen, und zwar nicht nur gegen fahrlässige Mitarbeitende eines Bauunternehmens, sondern auch gegen das Unternehmen selbst. Je nach Grösse des Schadens können diese Forderungen rasch einmal mehrere hunderttausend Franken ausmachen.
Führt der Brand zu Arbeitsunterbruch und Bauverzögerung, kann dem Bauunternehmen zudem ein erheblicher Zusatzaufwand entstehen und es muss überdies der Bauherrschaft je nach Werkvertrag eine mehr oder weniger hohe Konventionalstrafe bezahlen.
Die beste Schutzmassnahme ist alles zu tun, um einen Brandfall zu vermeiden. Dies bedingt, dass Handwerker/innen während ihrer Tätigkeit brandgefährliche Situationen erkennen und die nach den gebotenen Umständen erforderlichen Schutzmassnahmen treffen. Besonders kritisch sind Situationen, in denen unter grossem (zeitlichen) Druck gearbeitet werden muss.
Das neue Merkblatt der VKF «Brandverhütung auf Baustellen» mit den integrierten Checklisten leistet hierbei wertvolle Unterstützung. Es zeigt, wo die wesentlichen Gefahren liegen und mit welchen einfachen und kostengünstigen Massnahmen ein Brand verhindert werden kann. Die Checklisten eignen sich insbesondere für die Verwendung auf den Baustellen. Sie bieten eine einfache Übersicht über die empfohlenen Massnahmen zur Brandverhütung und eignen sich sehr gut, um die durchgeführten Massnahmen zu dokumentieren.
Entsteht gleichwohl ein Brand, helfen die ausgefüllten Checklisten aufzuzeigen, dass die nach den Umständen gebotenen Brandverhütungsmassnahmen auch getroffen wurden. In straf- und zivilrechtlichen Verfahren ist dies von grosser Bedeutung. Die dokumentierten Massnahmen entlasten die Handwerker/innen und das Bauunternehmen und können sich somit positiv auf den Ausgang eines Verfahrens auswirken. Die Gefahr von Strafmassnahmen oder Schadenersatzforderungen wird wirksam verringert. Umgekehrt müssen Handwerker/innen und Bauunternehmen bei Missachtung des Merkblatts und der Checklisten damit rechnen, dass sie straf- und zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Die Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen VKF sensibilisiert alle am Bau Beteiligten für die Verhütung von Bränden auf Baustellen. Die VKF entwickelte das neue Merkblatt «Brandverhütung auf Baustellen» inklusive Checklisten zur Unterstützung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten und zum Eigenschutz aller Beteiligten auf der Baustelle.