19. Mai 2025
Nach vier Jahren Vergaberechtsrevision zieht Bauenschweiz erstmals Bilanz zur Anwendung von Nachhaltigkeitskriterien in öffentlichen Ausschreibungen.
Die Studie von Bauenschweiz zeigt eine signifikante Zunahme von Nachhaltigkeitskriterien seit Inkrafttreten der Revision bei Bund und Kantonen. Damit lässt sich erstmals auf Datenbasis bestätigen, was lange vermutet wurde: Die Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts scheint in Bezug auf das Zuschlagskriterium Nachhaltigkeit zu wirken. Für die Studie wurden Ausschreibungen des Bundes und der Kantone auf simap.ch daraufhin untersucht, ob Vergabekriterien für die Baubranche relevante Nachhaltigkeitsaspekte enthalten.
Die Ergebnisse zeigen bei allen ausgewählten politischen Ebenen (Bund, Kantone Aargau, Basel-Stadt, St. Gallen und Zürich) teils starke Zunahmen bei der Nachhaltigkeit. Lag die Bandbreite vor der Revision noch zwischen 21,1% und 53,4%, so betrug diese per Ende 2024 bereits 38,4% bis 87,1%. An der Gesamtreihenfolge änderte sich nichts, sowohl vor als auch nach der Revision lag der höchste Wert beim Kanton St. Gallen, der tiefste beim Bund.
Mittelwert der Anteile qualitativer Vergabekriterien mit Bezug zur Nachhaltigkeit, vor und nach Inkrafttreten der Revision nach ausgewählten politischen Ebenen (Q1 2018 – Q4 2024)
Quelle: Bauenschweiz/politaris, simap.ch
Auch zeigt sich, dass die Entwicklungen nicht einheitlich verlaufen. Politische Ebenen mit tieferem Ausgangsniveau zeigen einen besonders starken Zuwachs, was auf einen Nachholeffekt hindeutet. Umgekehrt ist die Zunahme geringer, je höher die Ausgangswerte vor der Revision waren. Dies lässt vermuten, dass der Anpassungsbedarf bei der Vergabepraxis abhängig von der individuellen Ausgangslage der jeweiligen politischen Ebene ist.
Die öffentliche Hand macht bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei Ausschreibungen Fortschritte. Zudem ist es ein Abbild der gelebten föderalen Kultur. Dass die Kantone sowohl in Zahlen als auch beim Tempo besser abschneiden als der Bund spricht für eine hohe Akzeptanz der Revision.
Die Analyse zeigt aber auch, dass obwohl seit fast fünf Jahren die Grundlagen bestehen, der Bund mit dem vorliegenden Tempo seine gesetzlich verankerte Vorbildfunktion beim Klimaschutz und der Kreislaufwirtschaft kaum erreichen wird.
Bauenschweiz hat sich von Beginn an für die Realisierung der Totalrevision des öffentlichen Beschaffungsrechts eingesetzt. Mindestens so wichtig ist die Nachverfolgung. Diesen Beitrag leistet Bauenschweiz mit dem regelmässig erscheinenden Vergabemonitor und den darauf basierenden Analysen.
Basis dieser Arbeit sind die immer besser zugänglichen Beschaffungsdaten von simap.ch sowie die täglichen Bemühungen der Vergabebehörden, die Plattform mit verlässlichen Daten zu versorgen. Deshalb der Aufruf an die öffentlichen Beschaffungsstellen, die Vergabekriterien nicht in den Dokumenten zu verstecken, sondern direkt in der Eingabemaske bei simap.ch einzupflegen. Damit kann der Kulturwandel noch besser gemacht werden.
Das revidierte und zwischen Bund und Kantonen harmonisierte Beschaffungsrecht markierte einen Paradigmenwechsel in der Vergabekultur: Das vorteilhafteste Angebot erhält den Zuschlag, nicht das wirtschaftlich günstigste. Bauenschweiz untersucht mit dem Vergabemonitor der Schweizer Bauwirtschaft ob der geforderte Kulturwandel in Ausschreibungen der öffentlichen Hand sichtbar wird und führt auch 2025 wieder Webinare zum Thema Beschaffungsrecht durch.