06. Nov 2020

Neue Zuschlagskriterien: Wenn Äpfel mit Birnen verglichen werden

Die neuen Zuschlagskriterien Preisniveauklausel und Verlässlichkeit des Preises werden im selben Atemzug genannt, obwohl sie zwei völlig unterschiedliche Aspekte betreffen. Während die Preisniveauklausel auf eine Bevorzugung heimischer Anbieter abzielt, fördert die Verlässlichkeit des Preises den Qualitätswettbewerb zwischen allen Anbietern.

Autor: Laurens Abu-Talib, Leiter Politik usic / Geschäftsführer AföB

Im Rahmen der Harmonisierung zwischen dem Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) und der entsprechenden Interkantonalen Vereinbarung (IVöB) hatten die Kantone beschlossen, zwei der neu auf Bundesebene eingebrachten Zuschlagskriterien nicht zu übernehmen. Es handelt sich um die Berücksichtigung des unterschiedlichen Preisniveaus in Ländern, in welchen eine Leistung erbracht wird sowie die Verlässlichkeit des Preises.

Unterschiedliche Aspekte des Preiskriteriums

In der Musterbotschaft zurIVöB ist nachzulesen, dass diese zwei Zuschlagskriterien in der Praxis „kaum umsetzbar“ seien. Auf eine weitergehende Erläuterung oder Begründung wurde in der Botschaft verzichtet. Ein von der BPUK in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten erwähnt die beiden Zuschlagskriterien nur insoweit, als dass diese „erklärtermassen“ darauf abzielten, die „hiesigen Anbieter gegenüber ausländischer Konkurrenz zu schützen“.

Damit werden zwei Zuschlagskriterien miteinander vermischt, welche in ihrem Sinn und Zweck unterschiedlicher nicht sein könnten. Zusätzlich für Verwirrung sorgt, dass die Preisniveauklausel und die Verlässlichkeit im Erlasstext des Bundes nebeneinander aufgezählt werden. Die Gemeinsamkeit endet aber beim Umstand, dass beide den Preis als Zuschlagskriterium zum Gegenstand haben.

Preisniveauklausel bedeutet Heimatschutz

Die Preisniveauklausel zielt darauf ab, inländische und ausländische Angebote in Beziehung zu setzen, indem ein allfälliger Unterschied im Preisniveau korrigiert werden soll. Unter der Annahme eines höheren Preisniveaus im Inland, erfolgt so eine Korrektur zu Gunsten inländischer Anbieter. Angesichts der hohen Preise in der Schweiz ist die Feststellung, es handle sich hierbei um einen Heimatschutz, klar zutreffend.

Um die Preisniveaus zwischen Ländern vergleichbar zu machen, bedarf es einer transparenten Bemessungsgrundlage, also einer Art einheitlich anerkannten „Big-Mac-Index“. Weil Produktionsketten aber oft über mehrere Länder verteilt sind, müssten diese allenfalls anteilsmässig aufgeschlüsselt und unterschiedlich bewertet werden. Dies wird in der Praxis, wie zutreffend festgestellt, schwierig umzusetzen.

Preisverlässlichkeit fördert Qualitätswettbewerb

Demgegenüber ist die Verlässlichkeit des Preises auf alle Anbieter, ungeachtet ihrer Herkunft, anwendbar. Sie ist an das im Gesetzestext der Preisniveauklausel vorangehende Kriterium Plausibilität des Angebotes angelehnt. Dies entspricht auch der Auffassung des Eidgenössischen Parlaments, wonach die Verlässlichkeit eine auf den Preis gerichtete Konkretisierung der Plausibilität darstellt.

Für die Bewertung der Verlässlichkeit des Preises existiert bereits ein einfach zu handhabendes Modell. Das sogenannte „Tessiner-Modell“ teilt den Preis in zwei Dimensionen auf. Der erste Teil wird konventionell mittels einer linearen Kurve bewertet, wobei das günstigste Angebot die beste Note erhält. Der zweite Teil wird über eine beidseitig abfallende Trapezform gelegt, deren Mittelpunkt der Median aller eingereichten Angebote darstellt. Die teuersten und günstigsten Angebote erhalten Abzüge bei der Bewertung.

Dieser Vorschlag wurde von Bauenschweiz und der KBOB erarbeitet und stösst auf breite Zustimmung bei den betroffenen Akteuren. Die Verlässlichkeit ist ein geeignetes Instrument, um die Problematik von Dumpingangeboten abzuschwächen und den Qualitätswettbewerb zwischen allen Anbietern – auch ausländischen – zu fördern. Obwohl die Kantone das Zuschlagskriterium nicht übernommen haben, können sie dieses dennoch anwenden, denn die Aufzählung der Zuschlagskriterien im Gesetz ist nicht abschliessend.