08. Aug 2025

Nachwuchs erforscht Baukultur

Wie kommen wir zu der Qualität, die wir immer fordern? Studierende mehrerer Hochschulen setzen sich intensiv mit selbst gewählten Orten auseinander und haben erste Case Studies veröffentlicht.

Gastbeitrag von Claudia Schwalfenberg, Leiterin Fachbereich Kernthemen, Verantwortliche Baukultur SIA

Nachwuchs erforscht Baukultur

Bild: Hörsaalgebäude auf dem vonRoll-Areal © Sonja Perren (PH Bern)

Eine niedrigschwellige Bewertung von Praxisbeispielen – das ist das Ziel der «Case Studies für alle» auf der Webplattform «Baukultur Schweiz». Studierende und andere Interessierte haben dort seit einem guten Jahr die Möglichkeit, sich fokussiert mit der Qualität des gestalteten Lebensraums auseinanderzusetzen. Ein kurzes Standvideo und acht kurze Texte zu einem selbst gewählten Ort können einfach über eine Maske eingegeben werden. 

Die inhaltliche Basis der Case Studies bilden die acht Kriterien des Davos Qualitätssystems für Baukultur: Gouvernanz, Funktionalität, Umwelt, Wirtschaft, Vielfalt, Kontext, Genius loci und Schönheit. So können Studierende in einen qualifizierten Dialog treten, was gelungen und was weniger gelungen ist, und ihre Arbeit einem breiten Publikum und Fachleuten präsentieren.

ETH, Fach- und Pädagogische Hochschulen an Bord

Die «Case Studies für alle» stossen bei unterschiedlichen Hochschultypen und bei Studierenden auf reges Interesse. Bereits 35 Fallbeispiele von Hochschulen sind zusammengekommen. Den Anfang machte René Jähne vom Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) Digitale Fabrikation der ETH Zürich zum DFAB HOUSE, NEST, der Empa Dübendorf. Boris Szélpal von der Berner Fachhochschule (BFH) und Janine Kern von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) erprobten die Case Studies dann mit Architekturstudierenden. Inzwischen ist mit Sarah Ryser von der PH Bern auch eine Pädagogische Hochschule an Bord. Nächstes Frühjahr werden Anke Kaschlik und Peter Streckeisen von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) das Tool in einem Modul einsetzen, wo es um die Zusammenhänge von Stadtentwicklung und Sozialer Arbeit geht.

Mobilitätsräume im Fokus

An der FHNW haben Studierende sogar schon zum zweiten Mal «Case Studies für alle» erarbeitet. Dieses Jahr fragten sie sich: «Unterwegs im Dazwischen: weniger Verkehr, mehr Baukultur?» Einige Studierende beschäftigten sich zum Beispiel mit der Frage, welchen baukulturellen Wert eine Tankstelle hat. Die Studierenden recherchierten online zu ihrem Raum, beobachteten ihn und befragten Nutzerinnen und Nutzer der Mobilitätsraume zu ihrer Sicht.

Für viele der Studierenden zeigte sich, dass die Qualität des Raums erst im Zusammenspiel zwischen den verschiedenen baukulturellen Kriterien entsteht. Die meisten der betrachteten Räume sind nicht per se schön. Die Schönheit ergibt sich für die Betrachtenden durch die Beziehungen, die sich eröffnen. So nimmt die Verkäuferin einer Tankstelle in Füllinsdorf diesen Ort als schön war. «Ich arbeite schon seit 15 Jahren hier und kenne die Leute. Für mich hat der Ort Geschichte, weil ich schöne Erlebnisse hier hatte.»

Runder Tisch und Dialog zur Baukultur

Hinter den Case Studies auf baukulturschweiz.ch stehen der Runde Tisch Baukultur Schweiz zusammen mit dem SIA und dem Bundesamt für Kultur. Neben den Case Studies punktet die Webplattform auch mit der Frage des Monats. Zwei Persönlichkeiten aus dem Baubereich beantworten jeweils eine Frage. Passend zum 1. August äussern sich Salomé Mall, Leiterin Development der SBB, und Romana Heuberger , wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Baumeisterverband, diesen Monat zur Frage: «Gehört Baukultur zur nationalen Identität?»