04. Okt 2021

Kaffee mit...

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Gabriela Schlumpf ist Direktorin des Branchenverbands Holzbau Schweiz. Im Gespräch mit Bauenschweiz erklärt sie, wie die Digitalisierung die Holzbaubranche verändert und zeigt auf, wo sie beim Thema nachhaltiges Bauen noch Entwicklungspotenzial sieht.

Wie erklären Sie Branchenaussenstehenden die Vorteile des Holzbaus?

Es gibt viele gute Gründe, warum Bauen mit Holz im Trend liegt: Als Baumaterial bietet Holz rundum optimale Eigenschaften für jeden Gebäudetyp und jedes Bauvorhaben. Mit Holz ist fast alles möglich – ganz gleich, ob für einen Neubau, eine Modernisierung, eine Sanierung oder für Anbauten an bestehende Objekte. Holz ist extrem vielseitig einsetzbar. Und: Holz fasziniert durch seine einmalig positive Ausstrahlung als natürlicher und nachwachsender Baustoff. Da Holz relativ leicht ist, eignet sich der Baustoff auch ideal für die Vorfertigung. Gerade im Hausbau ermöglicht das die komplette Vorfabrikation von Hauselementen, welche eine rasche und effiziente Montage und eine kurze Bauzeit ermöglichen. Das alles macht den Holzbau nicht nur zu einer traditionsreichen, sondern auch zu einer zukunftssicheren Bautechnik.

Wie hat sich die Branche in den letzten Jahren entwickelt?

Das angebrochene Jahrhundert zeigt, dass Holz konstant eine immer höhere Nachfrage erfährt. Holz verzeichnete in den letzten zehn Jahren ein grosses Wachstum von 20 Prozent, während konventionelle massive Materialien weniger verbaut wurden. Während die Anzahl der Baubewilligungen in den letzten Jahren abgenommen hat, konnte der Holzbau zulegen. Der Mitarbeiterbestand in der Holzbaubranche ist in den letzten 15 Jahren um 30 Prozent gestiegen. Und der Holzbauboom – entfacht unter anderem durch die nachhaltige Gesinnung der Gesellschaft und Innovationen in der Branche – geht ungebremst weiter. Zahlreiche Grossprojekte bestätigen: Immer mehr und immer grösser wird mit Holz gebaut – Wohnsiedlungen mit mehreren hundert Einheiten, ja sogar Hochhäuser werden heute aus Holz geplant und gebaut. Und immer noch sprechen wir von «nur» knapp 15 Prozent der Gebäude, die in Holzbauweise realisiert werden – es besteht also ein enormes Potenzial.

Sie gehen also von einer weiteren, positiven Entwicklung im Holzbau aus?

Mit den Klimazielen rückt Holz noch mehr ins Zentrum, denn mit Holz lässt sich die CO2-Bilanz eines Gebäudes massiv verbessern. In verbautem Holz bleibt der Kohlenstoff über Jahrzehnte als CO2-Senke im Gebäude gebunden, pro Kubikmeter ist das rund eine Tonne CO2. Zudem sind Holzbauten im Vergleich günstiger, wenn man die graue Energie – also den Energieeinsatz aller beteiligten Produktionsprozesse – mit einberechnet. Holz wächst laufend nach – allein mit Sonnenenergie. Wenn wir die Herausforderungen unserer Zeit ernst nehmen wollen, müssen wir also mehr mit Holz bauen. Im Material Holz steckt viel Innovationskraft. Biobasierte Materialien aus Holz könnten die zukunftsfähigen Produkte von Morgen sein und zur Dekarbonisierung beitragen. Aber auch der hohe Vorfertigungsgrad und die Möglichkeit, Holzkonstruktionen aus Standardelementen zu erstellen, bieten ideale Voraussetzungen für industrielle und digitalisierte Prozesse.

Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Holzbaubranche aus?

Durch die Vorfertigung ist in Sachen Digitalisierung der Holzbau ein Vorreiter. BIM (Building Information Modelling) vernetzt alle Baubeteiligten digital, um den Bauprozess gemeinsam vorauszuplanen und die Entstehung eines Gebäudes in Echtzeit zu steuern. Forschungsprojekte prüfen schon heute weitere Fertigungstechniken, zum Beispiel die Verarbeitung und Montage durch Roboter oder die Weiterentwicklung von holzbasierten Werkstoffen.

Hat dies auch Auswirkungen auf die Ausbildungen?

Obwohl in der Grundausbildung der Fokus auf der handwerklichen Ausbildung liegt, hält die Digitalisierung vermehrt Einzug. Holzbau Schweiz ist daran, eine digitale Lernplattform, das Holzbau-LAB, zu etablieren. Die Plattform steht allen Holzbaubetrieben und ihren Mitarbeitenden zur Verfügung. Jede und jeder kann auf branchenspezifische Themen zugreifen und sich so selbständig weiterbilden. Aber nicht nur das: Er kann auch sein persönliches Portfolio eigenhändig auf dem aktuellen Stand halten und sich der Branche präsentieren.

Die Baumaterialpreise sind seit Anfang des Jahres stark angestiegen. Besonders betroffen ist der Rohstoff Holz, der bis zu 60 Prozent teurer ist als im Januar. Was sind die Konsequenzen dieses Preisanstieges?

Der Markt hat sich in den letzten Monaten grundlegend verändert. Statt wie bisher wenige Tage, haben sich die Lieferfristen auf mehrere Wochen oder sogar Monate ausgedehnt. Hauptgrund für die Entwicklung ist die weltweit gestiegene Nachfrage und die einhergehende Verknappung von Holzprodukten.

Wie reagieren Sie als Verband darauf?

Um die Preisänderungen zu berücksichtigen, hat Holzbau Schweiz ein Verfahren für die Mitglieder entwickelt. Aufgrund der aktuellen Situation sollen in Werkverträgen keine Festpreise mehr vereinbart werden, sondern die Bezugspreise geltend gemacht werden. Inzwischen haben sich die Unternehmen auf die Situation eingestellt und berücksichtigen die geänderten Rahmenbedingungen entsprechend.

Wie schätzen sie die weitere Entwicklung ein?

Über Monate hat die Nachfrage aus den USA die Märkte befeuert. Inzwischen sind die Preise aber pro 1000 Board Feet (2,63 m3) von 1'670 USD Anfang Mai auf aktuell rund 500 USD gefallen. Dies deutet darauf hin, dass sich eine Konsolidierung abzeichnen könnte. Die Lage in der Schweiz hat sich etwas beruhigt. Man geht aber davon aus, dass die Preise nicht mehr bis auf das Vorkrisenniveau fallen werden. Insgesamt ist festzustellen, dass im Baumarkt nicht allein Holzprodukte unter einer Preishausse leiden. Stahl und andere Metalle, Kunststoffe oder Glas sind in ähnlichem Ausmass betroffen. Voraussichtlich wird Bauen grundsätzlich teurer – und zwar in fast allen Gewerken, da auch die anderen Materialien von einem Preisanstieg betroffen sind. Die mittel- und langfristigen Aussichten für Holz im Baumarkt bleiben gut, insbesondere im Lichte der Schweizer Energie- und Klimaziele.

Welche Möglichkeiten haben Sie, um weniger von den internationalen Märkten abhängig zu sein?

Nach wie vor kaufen wir zu viel Holz aus dem Ausland ein, weil hier nicht genügend verarbeitetes Holz verfügbar ist. Aufgrund der beschränkten Holzverarbeitungskapazitäten im Inland kann der Bedarf nicht einfach im nötigen Umfang durch hiesige Produkte ersetzt werden. Die vergangenen Monate haben die Vorteile von regionalen Wertschöpfungsketten aufgezeigt. Wir müssen die lokale Nutzung fördern, damit wir weniger abhängig vom Ausland sind und die nötigen Materialmengen verfügbar haben. Und wir brauchen weiterhin genügend Tannen- und Fichtenholz in unseren Mischwäldern, denn diese beiden Holzarten werden vorwiegend beim Bauen eingesetzt. Eine mögliche Lösung ist die Förderung von lokalen Netzwerken, denn so werden wir unabhängiger und gleichzeitig nachhaltiger. Dies geht nicht von heute auf morgen und wir sind auf politische Unterstützung angewiesen.

Wo sehen Sie beim Thema nachhaltiges Bauen noch Entwicklungspotential?

Der Wandel zu nachhaltigeren Anforderungen zwingt die Bauwirtschaft, längerfristig zu planen, Lebenszykluskosten einzubeziehen, Ressourcen zu schonen und den Einsatz der Baumaterialien zu überdenken. Dies stellt eine grosse Chance für den Holzbau dar. Die Klimaziele rücken den Baustoff Holz zusätzlich ins Rampenlicht. Wo die graue Energie zählt, liegt die Verwendung von Holz auf der Hand. Bauen mit Holz ist aktiver Klimaschutz.

Wie schätzen Sie den Schweizer Gebäudebestand ein?

Der Gebäudepark der Schweiz ist überaltert und dadurch für fast die Hälfte des Energiebedarfs und einen Viertel des CO2-Ausstosses verantwortlich. Rund 1,5 Millionen Gebäude gelten aufgrund ihrer schlechten Energieeffizienz als sanierungsbedürftig. Um die Klimaziele und einen CO2-Austoss von Netto-Null 2050 zu erreichen, müsste die Sanierungsgeschwindigkeit massiv beschleunigt werden. Hierfür drängt sich der Baustoff Holz auf – insbesondere aufgrund der CO2-Speicherung und der flexiblen Anwendungsmöglichkeiten. Wir müssen die Modernisierung des Gebäudeparks beschleunigen und die Verdichtung weiter vorantreiben – aber mit Holz, natürlich. Die Zeit ist reif für einen Entwicklungsschub.

Was bedeutet das Nein zum CO2-Gesetz für Ihre Branche?

Eine Chance wurde vergeben. Für die weitere Entwicklung ändert sich aber wenig. Denn: Über kurz oder lang führt kein Weg am Holz vorbei. Wir müssen mehr mit Holz bauen, um die Klimaziele zu unterstützen. Zusätzlich zur CO2-Speicherung können durch die Holznutzung endliche fossile Energieträger wie Öl, Gas oder Kohle ersetzt werden. Die Substitutionseffekte der Holznutzung verdeutlichen, warum es aus Klimaschutzgründen nötig ist, die Wälder nachhaltig zu bewirtschaften und den nachwachsenden Rohstoff Holz zu nutzen.