22. Aug 2025
Autoren: Matthias Röthlisberger und Andreas Zischg, Co-Leitende des Mobiliar Lab für Naturrisiken, Universität Bern
Im Zuge des Klimawandels intensivieren sich Starkniederschläge – auch in der Schweiz. Wärmere Luft kann mehr Wasserdampf halten, womit bei Starkniederschlägen mehr Feuchtigkeit ausregnen kann. Dabei gilt: Je kürzer und je heftiger die Niederschläge, desto mehr verstärken sich diese Niederschläge aufgrund der Erwärmung. Kurzfristige und besonders heftige Starkniederschläge werden in der Regel von lokalen Gewittern ausgelöst und führen oft zu dezentralen Schäden, auch weit ausserhalb der Gewässerräume. Diese Schäden werden von oberflächlich abfliessendem Wasser ausgelöst, welches nicht versickern oder von der Kanalisation aufgenommen werden kann und stattdessen in Keller oder Einstellhallen einfliesst.
Oberflächenabfluss ist bereits heute eine teure und weit verbreitete Naturgefahr, die sich noch stärker akzentuieren wird. Analysen des Mobiliar Lab für Naturrisiken zeigen, dass schon heute 62% der Gebäude exponiert sind gegenüber Oberflächenabfluss. Zudem gehen mindestens 2/3 der Überschwemmungsschäden der Mobiliar in den letzten 10 Jahren auf Oberflächenabfluss zurück, weniger als 1/3 der Überschwemmungsschäden sind auf über die Ufer tretende Gewässer zurückzuführen. Die Gefährdung durch Oberflächenabfluss wird sich insbesondere in urbanen Räumen weiter akzentuieren.
Bauliche Anpassungsmassnahmen können dem entgegenwirken und substanziell dazu beitragen, dass Überschwemmungsrisiken in der Schweiz langfristig versicherbar bleiben. Da insbesondere dezentrale Überschwemmungsschäden zunehmen, muss diese Anpassung vermehrt in der Form von baulichen Objektschutzmassnahmen (erhöhte Lichtschächte, Gegensteigungen bei Einstellhalleneinfahrten, wasserunempfindliche Materialien etc.) erfolgen, die Schäden durch Oberflächenabfluss im und am Gebäude verhindern. In der Umgebung von Gebäuden können Geländeanpassungen gemacht werden, die das schadlose Ab- und Durchleiten von Oberflächenwasser ermöglichen. Solche Objektschutzmassnahmen haben ein ausserordentlich gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis und werden zudem in vielen Kantonen grosszügig finanziell unterstützt. Ein grosses Innovations- und Anpassungspotenzial besteht zudem in der Gebäudetechnik. Beispielsweise können intelligente und vernetzte Systeme in Zukunft vermehrt punktgenaue Wettervorhersagen oder Daten von Umweltsensoren abrufen und entsprechend mobile Schutzelemente steuern, die temporär das Gebäude abdichten können. Dies wird insbesondere dort notwendig werden, wo ein permanenter baulicher Objektschutz nicht möglich ist.
Die Schweizer Bauwirtschaft ist an der Planung und Umsetzung jedes einzelnen Bauprojekts in der Schweiz integral beteiligt und spielt deshalb eine Schlüsselrolle in der Klimaanpassung im Bereich Hochwasserschutz. Nur mit der Bauwirtschaft können Objektschutzmassnahmen grossflächig und dezentral umgesetzt werden und dadurch die Anpassung an vermehrt auftretende dezentrale Überschwemmungen gelingen. Mit diesem Gastbeitrag möchten die Autoren die Schlüsselrolle der Bauwirtschaft in der Anpassung an steigende Naturgefahrenrisiken unterstreichen und die Bauwirtschaft ermutigen, sich vermehrt als Teil der Lösung in den gesellschaftlichen Diskurs zu Naturgefahren und Klimawandel einzubringen.
Bild: Beispiel einer Objektschutzmassnahme: Ein Klappschott, welches sich in Überschwemmungssituationen automatisch aktiviert.
Quelle: Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen