31. Jan 2023

Baukultur: Jetzt geht es um die Wurst

Die Baukulturexpertin Dr. Claudia Schwalfenberg beschreibt die Herausforderungen für die nächste Kulturbotschaft aus Sicht der Baukultur.

Gemeinsam Baukultur schaffen: Die vom SIA mitinitiierte Wunderbrücke im neuen Park «Technorama Draussen» (Foto: Sonja Ellermeyer)

Wunderbrücke

Jeden Dezember lädt die Parlamentarische Gruppe Kultur zum Wurstanlass ein. Begleitet von Wurstspezialitäten aus der ganzen Schweiz findet dann ein Austausch unter dem Motto statt «Kultur ist uns Wurst, aber Wurst ist uns Kultur!». Um die Wurst geht es auch bei der nächsten Kulturbotschaft, welche für die Jahre 2025 bis 2028 gelten wird.

Im Vorfeld der noch ausstehenden Vernehmlassung lud das Bundesamt für Kultur (BAK) bereits zu zwei Anlässen ein. Bei einem Hearing im April 2022 konnten geladene Organisationen wie der SIA zentrale Herausforderungen für die Schweizer Kultur benennen. Im November 2022 folgte ein Informations- und Austauschanlass, bei dem die beteiligten Organisationen dann Inputs zu sechs vom BAK in der Zwischenzeit definierten Handlungsfeldern geben konnten: «Kultur und digitale Transformation», «Kultur und nachhaltige Entwicklung», «Kulturerbe als lebendiges Gedächtnis», «Aktualisierung des Kulturfördersystems», «Kultur als Arbeitswelt» und «Gouvernanz im Kulturbereich».

Nachhaltigkeit zentral

Aus Sicht des SIA muss Baukultur ein zentrales Thema für die Kulturbotschaft 2025-2028 sein: Drängende Zukunftsfragen sind nur lösbar mit einem ganzheitlichen Verständnis von Nachhaltigkeit im Allgemeinen und einem ganzheitlichen Verständnis von Baukultur im Besonderen. Dazu gehört Schönheit genauso wie Umwelt. Die Förderung eines ganzheitlichen Verständnisses von Baukultur wird für das Handlungsfeld «Kultur und nachhaltige Entwicklung» wie für die nächste Kulturbotschaft insgesamt matchentscheidend sein. Räume, in denen Menschen sich wohl fühlen und gerne begegnen, sind grundlegend für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Zugleich bilden Klimaschutz und Klimaanpassung eine vitale Voraussetzung dafür, dass unsere Demokratie weiter funktionieren kann.

Auch die übrigen Handlungsfelder der kommenden Kulturbotschaft müssen zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. Die digitale Transformation eröffnet der Kulturwirtschaft neue Möglichkeiten für Klimaschutz und Klimaanpassung, die sich im Handlungsfeld «Kultur und digitale Transformation» wiederfinden müssen. Im Handlungsfeld «Kulturerbe als lebendiges Gedächtnis» sind neben der Funktion der Erinnerung und Strategien zur Erhaltung des Kulturerbes ausserdem die Funktion der Aneignung und die Strategie der Weiterentwicklung vorzusehen. Herausforderungen wie die Siedlungsentwicklung, der Klimawandel oder der Umgang mit knappen Ressourcen müssen dabei als Chance für mehr Qualität genutzt werden. Dementsprechend ist im Handlungsfeld «Gouvernanz im Kulturbereich» die sektorübergreifende Kooperation zu stärken: Verbundaufgaben wie Klimaschutz und Klimaanpassung oder die Förderung der Biodiversität müssen vermehrt über die Grenzen einzelner Departemente hinweg angegangen werden. Ausserdem ist die internationale Führungsrolle zu stärken, welche die Schweiz seit der Davos Declaration von 2018 einnimmt und mit der Konferenz der europäischen Kulturminister im Vorfeld des diesjährigen World Economic Forum (WEF) in Davos kürzlich untermauert hat.

Baukultur fehlt

Im Handlungsfeld «Aktualisierung des Kulturfördersystems» geht es schliesslich um die Wurst. Rückblende: Die bisherige Kulturförderung fokussiert stark auf klassische Kunstwerke. In der Kulturbotschaft 2016-2020 gelang es erstmals, das neue Politikfeld Baukultur gedanklich zu verankern. Die Kulturbotschaft 2021-2024 sah dann erstmals konkrete Fördermassnahmen zugunsten von Plattformen, baukultureller Bildung und Beratungsangeboten für Gemeinden vor, untersetzt mit knapp 0,8 Millionen Franken pro Jahr. Die vom Bundesrat vorgegebenen Zielsetzungen können mit diesem vergleichsweise bescheidenen Betrag jedoch nicht erreicht werden. Eine Erhöhung des Kredits für Baukultur in der nächsten Kulturbotschaft ist deshalb dringend.

Die Förderung eines ganzheitlichen Verständnisses von Baukultur kommt dem gestalteten Lebensraum und der Bauwirtschaft gleichermassen zugute. Mehr Wertschätzung für baukulturelle Qualität bedeutet auch mehr Wertschätzung für die dahinterstehenden Berufsleute.

Über die Autorin

Dr. Claudia Schwalfenberg leitet den Fachbereich Politik des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins SIA. Sie ist spezialisiert auf Baukultur, initiierte den Runden Tisch Baukultur Schweiz und das neue Politikfeld Baukultur in der Schweiz. Claudia Schwalfenberg wirkte als Mitglied einer internationalen Expertengruppe bei der Ministerkonferenz «Common good, shared responsibility» mit.