22. Mai 2023

BIM: Vom Modell zum Management

BIM war lange Zeit eine Angelegenheit der Ingenieurunternehmen. Doch nun nimmt die Methode auch im Infrastrukturbau Fahrt auf.

Während grössere Bauherren wie beispielsweise die SBB eine Vorreiterrolle übernehmen und ab 2025 bei Infrastrukturanlagen die BIM-Methode verpflichtend voraussetzen, stehen viele Unternehmen vor grossen Fragen. 

Im Infrastrukturbau ist die Anwendung von digitalen Hilfsmitteln im Alltag angekommen. Grössere und international tätige Unternehmungen mussten sich schon aufgrund der Bauaufträge, die sie akquirieren, frühzeitig mit der Thematik der Digitalisierung – und demzufolge auch mit BIM – auseinandersetzen. Aber auch einige kleinere, innovative Bauunternehmungen erkannten den Puls der Zeit und beschäftigten sich sehr früh mit der Thematik.

Immer wieder erstaunlich weist sich die Reaktionszeit bei der Implementierung der digitalen Hilfsmittel in den Alltag einer Bauunternehmung auf. Innert kürzester Zeit werden Investitionen getätigt, Mitarbeiter geschult und das angeeignete Know-how auf den Baustellen bei der Umsetzung von BIM Bauvorhaben angewendet. Viele kleinere und mittlere Baufirmen beschäftigen sich aber erst seit Kurzem mit dem digitalen Umfeld. Obwohl sie dem Nutzen der Digitalisierung teilweise skeptisch gegenüberstehen, sind sie sich deren Wichtigkeit bewusst und setzen sich mit der Thematik auseinander oder sind sogar der Meinung, dass sie dies nicht tangiert. 

Dabei lässt sich in den Gesprächen mit unseren Mitgliedern teilweise eine gewisse Skepsis zur momentanen Situation erkennen. BIM wird beispielsweise als notweniges Übel und Mehraufwand betrachtet. Des Weiteren hören wir oft, dass BIM eine Unterstützung der ausführenden Unternehmen zugunsten der Planer sei, ohne dafür einen Gegenwert zu erhalten. Generell lassen viele solcher Aussagen aufhorchen, weil diese Fragezeichen – ob begründet oder nicht – den Innovationsprozess verzögern oder behindern.

BIM im Web

Diese Aussagen erstaunen in Anbetracht der Kommunikation über BIM nicht. Wird der Begriff BIM über die einschlägigen Online-Suchmaschinen gesucht, erfahren Unternehmerinnen und Unternehmer, dass BIM für Building Information Modeling steht, dass dies eine digitale Transformation in der Architektur, im Ingenieur- und im Bauwesen bedeutet, dass es mit vernetzter Planung zu tun hat und wie BIM für die Optimierung eines Bauvorhabens in der Planungsphase ein mittlerweile unverzichtbares Instrument darstellt. Modeling eben; von modellieren, kreieren.
Die Frage sei erlaubt, wo sich die Bauunternehmungen in den vorangehenden Aussagen mit ihrem Tätigkeitsfeld wiederfinden?

Wie neu ist BIM denn?

Schon in der ersten Tunnelbauära, die von ca. 1850 bis 1920 dauerte, war eine Erstellung dieser komplexen Bauvorhaben ohne Vermessungsgeräte undenkbar. Standen anfangs nur rudimentäre Messinstrumente zur Verfügung, entwickelte sich die Messtechnik laufend dank des ständigen technologischen Fortschritts. Im Laufe der Zeit nahm die Digitalisierung einen immer höheren Stellenwert ein. 

Der Möglichkeit, mit einfacher geometrischer Messtechnik digitale Informationen in die Erstellung des Bauwerks einfliessen zu lassen, fügte sich bald einmal die Rückmeldung vom Bauwerk an die Planung hinzu. Informationen, die für eine laufende Optimierung sowie für einen späteren Informationsfundus unentbehrlich wurden. 

Neben dem Austausch von Daten liessen sich anfallende Herausforderungen durch Erfahrungsaustausch, durch Kommunikation, durch die Suche nach Optimierungen und nicht zuletzt durch auf eine auf allen Beteiligten abgestimmte, auf Augenhöhe gestützte Lösungsfindung und Arbeitsvorbereitung meistern. Die Basis dafür bildete ein gemeinsames Streben nach Qualität und Effizienz. Also eigentlich nichts anderes als BIM.

Wo steht BIM in der Ausführung?

Betrachten wir heute die digitale Infrastruktur in den meisten Bauunternehmungen, dann stellen wir fest, dass in dieser Hinsicht in den letzten Jahren viel entwickelt und investiert wurde.

Kalkulationsprogramme, die uns mit Offertauswertungen ein Bild über Leistungsannahmen mit respektiver Bauzeitanalyse aufzeigen und in ein Bauprozessplan, sprich Bauprogramm, implementieren; interne Controllingsysteme, die der Unternehmung als nützliches Cockpitinstrument dienen sowie ein digitalisiertes Bestellungswesen für Inventar und Material dienen nicht nur der Vereinfachung der Abläufe, sondern auch einer digitalen Kommunikation. Eine Kommunikation, über die zudem Maschinen und Geräte über deren Steuerung effizienter genutzt werden können. 

Durch digitale Modelle lassen sich Aushübe mit einer sehr hohen Genauigkeit erstellen und verhelfen somit nicht zuletzt auch einer besseren Ressourcenbewirtschaftung. Ebenfalls in der Vermessung lassen sich mithilfe einer Digitalisierung höhere Genauigkeiten erreichen. So bieten vollautomatische, GPS-gesteuerte Drohnen über eine intelligente Software und Algorithmen sehr detaillierte Geländeaufnahmen. Ebenfalls lassen moderne Vermessungsgeräte das Abstecken komplexer Geometrien zu. Und nicht zuletzt sind innovative Bauunternehmungen mittlerweile imstande, mit Hilfe von Robotik-Stationen und IFC datenbasierte, digitale Informationen papierlos Bauvorhaben zu erstellen.

BIM ist in der Ausführung schon längst angekommen.

Blick in die Zukunft: Die Basis ist gelegt

Betrachten wir heute BIM-basierte Bauvorhaben, so stellen wir fest, dass die Basis für einen gesamtheitlichen Informationsaustausch gegeben ist. Die Planung eines Projektes sowie die Auswertung dessen Varianten lässt sich mit digitalen Modellen veranschaulichen und umsetzen. Um die Schnittstellenproblematik innerhalb der involvierten Stakeholder – insbesondere Ingenieur- und Haustechnikleistungen – zu minimieren, werden diese in die digitalisierte Planungsphase implementiert.

Der Thematik der Nachhaltigkeit wird durch die ganzheitliche Betrachtung des kompletten Lebenszyklus hinsichtlich Aufwands und Ökologie, aber auch bezüglich Facility Managements rechtzeitig Rechnung getragen. Durch das Erstellen eines digitalen Zwillings während und am Ende eines Bauvorhabens sind anschliessend genügend Informationen vorhanden, um hinsichtlich Unterhaltsplanung im erwähnten Lebenszyklus eines Endproduktes ein Optimum zu erreichen. Für den frühen Einbezug der ganzen Wertschöpfungskette wäre die Basis gelegt, liesse sich doch damit ebenfalls eine Optimierung in der Ausführung der Baumeisterarbeiten erreichen. 

Insbesondere komplexe Infrastrukturbauten und/oder Ingenieurtiefbauarbeiten können mitunter durch Unternehmervarianten im Dialog mit Einbezug von effizienten Lösungen optimiert werden, mit direktem Einfluss auf der Kosten- und Zeitachse.


Autor: Leonardo Garaguso, Leiter Markt & Technik, Stv. Geschäftsführer, Infra Suisse