06. Mai 2024

«Mit digitalen Tools zu einer nachhaltigeren Baukultur»

Fokusgespräch mit Vertretern der Organisationen Betonsuisse, Stahlbau Zentrum Schweiz und Lignum Holzwirtschaft Schweiz.

Vertreter der Bauorganisationen

Sandra Burlet (Lignum), Patrick Suppiger (Betonsuisse), Laurent Audergon (SZS) (v.l.n.r.)

Bis 2050 will die Schweiz Netto-Null erreichen. Deshalb ist es wichtig, dass künftig alle am Bau Beteiligten nachhaltig planen, bauen und bewirtschaften und dies bereits früh im Entwicklungsprozess adressieren. Dafür müsste die Ökobilanz schon im Entwurf eines Projektes evaluiert werden. Digitale Tools vereinfachen die Berechnungen, ermöglichen Vergleiche von unterschiedlichen Konstruktionen und Materialien und bilden zudem die Baukosten ab.

Text Katharina Marchal, erste Erscheinung bauenschweiz.ch

Dass digitale Tools einen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele leisten können, davon sind Sandra Burlet, die Direktorin von Lignum Holzwirtschaft Schweiz und die Geschäftsführer von Betonsuisse, Patrick Suppiger und vom Stahlbau Zentrum Schweiz (SZS), Laurent Audergon überzeugt. Im Gespräch mit den Vertretern der drei Organisationen der Bauwirtschaft in der Schweiz kristallisiert sich heraus, welche Punkte dabei zu beachten sind.

Sie alle sind sich ihrer Verantwortung bewusst, ressourceneffiziente Lösungen zu fördern und gleichzeitig hohe Qualitätsstandards zu gewährleisten. Deshalb setzen sie auf den Erfahrungsaustausch sowie den Wissenstransfers zwischen Architekten, Ingenieurinnen und Fachplanern und unterstützen die politische Arbeit auf nationaler Ebene.

Patrick Suppiger betont: «Die Verwendung digitaler Tools in der frühen Phase kann das Projekt in die richtige Richtung in Bezug auf Nachhaltigkeit lenken. Jedoch ist es wichtig, alle Aspekte der Nachhaltigkeit zu berücksichtigen». Und sie ermöglichen zudem einen einfacheren Vergleich verschiedener Varianten in Bezug auf Konstruktion und Baumaterialien sowie eine umfassende Bewertung der Ökobilanz des Gebäudes über dessen gesamten Lebenszyklus. Erst diese ganzheitliche Perspektive könne zu gesteigerter Effizienz führen und einen nachhaltigen Einfluss auf Bauprojekte ausüben, so der Betonsuisse-Geschäftsführer.

«Digitale Tools schaffen für Planende und Bauherrschaft grosse Vorteile als Entscheidungshilfe» sagt Laurent Audergon, weil sie ein Abbild der Lebenszyklusanalyse und eine ganzheitliche Betrachtung ermöglichen. SZS habe ein finanzielles Modell für CO₂-Emissionen entwickelt. Damit können öffentlichen Bauherren die tatsächlichen Kosten aufgezeigt werden, welche durch den pro emittierte Tonne CO₂ verursachten Schaden erzeugt werden, und ihnen zudem darstellen, wie die Vermeidung von CO₂-Emissionen finanziell honoriert werden kann.

«Wir sind überzeugt, dass Holz Teil der Lösung zu einem nachhaltigen Bauwerk Schweiz ist. Die Überlegungen zur nachhaltigen Bauweise sind möglich frühzeitig im Planungsprozess anzustellen» unterstreicht Sandra Burlet. «Digitale Tools zur Darstellung der Ökobilanz der eingesetzten Baumaterialien und -produkte spielen zunehmend eine wichtige Rolle» meint die Direktorin des Schweizer Dachverbands der Holzbranche.

Nachhaltige Unterstützung für Bauschaffende

Um über die neusten Entwicklungen aus dem In- und Ausland hin zu einer nachhaltigeren Bauweise informiert zu bleiben, werden die Mitglieder der Verbände an Schulungen für technologische Innovationen sensibilisiert. Die Verbände laden zudem ein, Praxiserfahrungen und konkreten Beispiele, in der Form von Baustellenbesichtigungen oder auf den eigenen Foren oder Datenbanken – wie etwa Lignumdata.ch, beton2030.ch – zu teilen. Mit Auszeichnungen werden ausserdem Anreize geschaffen, den Nachhaltigkeitskriterien nachzukommen, etwa durch die Verleihung des Prix Acier, des Architekturpreises BETON sowie des Prix Lignum. Und um das Interesse an methodologischen Tools insbesondere von Bauingenieurinnen und Architekten zu stillen, werden Weiterbildungskurse und Webinare organisiert. Webinare sind angedacht, um digitale Tools zur ganzheitlichen Berechnung der Ökobilanz von Bauprojekten wie das EcoTool, aber auch anderweitige Lösungen zu präsentieren.

Kriterien, Parameter – heute und in Zukunft

Nach der Lösung des technischen Problems stellt sich dann die Frage der Qualität und Verlässlichkeit der verarbeiteten Daten. «In dieser Hinsicht sind wir zuversichtlich, dass gemeinsame, qualitätssichernde Lösungen im Rahmen von internationalen Abkommen gefunden werden können» meint Sandra Burlet. Doch die Direktorin von Lignum fügt hinzu: «Ökobilanzdaten sind keine exakte Wissenschaft; vielmehr dienen sie als Orientierungshilfe, um verschiedene Baulösungen relativ zueinander zu vergleichen.» Patrick Suppiger von Betonsuisse ist überzeugt davon, «dass digitale Tools dazu beitragen können, Daten transparent zu machen und ein umfassenderes Verständnis zu generieren». Deshalb müssten die Daten sorgfältig erhoben werden. Wichtig sei in dem Zusammenhang, dass präzise Parameter, wie etwa für Deckensysteme, definiert werden. Damit werde sichergestellt, dass «Gleiches mit Gleichem» verglichen wird. Suppiger unterstreicht die Bedeutung von klaren und einheitlichen Kriterien bei der Bewertung nachhaltiger Baukonzepte.

Dabei ist allen klar, dass nur durch die Verwendung von Daten, die die gesamten Lebenszykluskosten berechnen und den kompletten Lebenszyklus ermitteln, eine präzise und umfassende Analyse der ökologischen Auswirkungen von Baumaterialien und Konstruktionen ermöglicht wird. Erst durch die Berücksichtigung aller Phasen des Lebenszyklus (Lebenszyklusanalyse und Lebenszykluskosten) können Bauherren und Planer Entscheidungen treffen, die sowohl ökologische als auch ökonomische Aspekte berücksichtigen. Dies trägt dazu bei, den Ressourcenverbrauch zu minimieren und gleichzeitig die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Deshalb ist es ratsam, die Daten zur Ermittlung des Lebenszyklus und der Lebenszykluskosten in den Planungsprozess zu integrieren, um eine ganzheitliche fundierte Bewertung der Ökobilanz der Bauprojekte zu gewährleisten.